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14 | JUNI 2012
Zeugnistag:
EINE SCHLECHTE NOTE NAGT AM SELBSTBEWUSSTSEIN
Erziehung ist (k)ein Kinderspiel!
information & entwicklung
information & entwicklung
D
er Erfolgsdruck unserer Leistungs-
gesellschaft kann für manche El-
tern und deren Kinder zu einem
richtigen Alptraum und zu einem Teufels-
kreis aus Angst und Misserfolg führen.
Wenn sie am Zeugnistag die böse Über-
raschung präsentiert bekommen, oder
ihre Befürchtungen bestätigt sehen, so
kann es sein, dass einigen Eltern die Ner-
ven durchgehen. Watschen fliegen, Türen
knallen, Kinder werden beschimpft. Allein
schon die klassische Standpauke ist kon-
traproduktiv. Sie bewirkt, dass das Kind
„zumacht“ oder trotzig reagiert. Es muss
sich verteidigen oder rechtfertigen. Da-
her wird es nach Argumenten suchen, die
sein Versagen weniger schlimm erschei-
nen lassen, z.B. „Der Hans, ist noch viel
schlechter als ich!“, „Die Lehrer waren
unfair!“. Sie müssen auch mit Gegenan-
griff rechnen wie: „Ihr habt mir ja keine
Nachhilfe bezahlt!“ oder „Du warst auch
nicht immer gut in der Schule!“. Mit der
„Moralpauke“ löst man also nur Reakti-
onen aus, die weder zu Einsicht noch zur
Suche nach Lösungen führen.
Sagen Sie Ihrem Kind, was
Sie fühlen, aber ohne Be-
schimpfungen. Lassen Sie es
vor allem darüber reden,
wie es sich fühlt und
welche Erklärungen
es sieht. Belassen
Sie die Verantwor-
tung bei Ihrem Kind
und trauen ihm auch zu, eine Lösung für
seine Probleme zu finden. Dies wirkt sich
positiv auf sein Selbstwertgefühl und sei-
ne Motivation aus. Je jünger das Kind,
umso mehr liegt die Gesamtverantwor-
tung jedoch bei den Eltern. Sie sollten sich
daher fragen: „Stimmt unsere Beziehung
und das Familienklima?“ „Hat das Kind
gute Rahmenbedingungen?“ (Schule,
Freizeit, etc.) „Ist es überfordert?“ „Hat
es Probleme?“ Manche Kinder haben das
Gefühl: „Meine Eltern interessieren sich
nur für meine Leistungen. Wie es mir da-
bei geht, ist Ihnen egal!“
Ob Versager, Faulpelz oder Pechvogel,
Misserfolg ist immer etwas Schwieriges
und Unangenehmes. Wer ihn aber richtig
zu bewältigen lernt, hat daraus oft ei-
nen größeren Gewinn an Erfahrung und
Entwicklung als der
Erfolgsverwöhnte.
Daher ist es wich-
tig, im Misserfolg
nicht so sehr das
Versagen, sondern
mehr die Chance
zu sehen. Schritte
aus der Krise
können
dann
gemeinsam gep-
lant und umgesetzt
werden.
Mag. Maria Neuberger-
Schmidt
Autorin und Obfrau
„Elternwerkstatt“
www.elternwerkstatt.at
Illustration: © Eugen Kment