information & schule
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Mag.
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Marianne Riemer
LEVNÖ Vorstandsmitglied
Familienmanagerin, Wien
Österreichische Bundes-Sportorganisation:
INITIATIVE FÜR MEHR SPORT
Turnen ohne Leistungsdruck
ONLINEZEITUNG:
Foto: © MAK - Fotolia.com
34
| DEZEMBER 2012
LEISTUNGSDRUCK
Regelmäßig gab es den Kampf am
Schulschluss, wenigstens ein “gut” in
Turnen zu bekommen. Es war übrigens
lange Zeit das einzige “befriedigend” in
meinem Zeugnis, für das ich aber ZWEI
sehr gut” in so unbedeutenden Neben-
fächern wie Mathematik, Deutsch, Eng-
lisch, Latein oder auch Physik, Biologie
oder Geschichte herausarbeiten musste.
Die Schule verlassen habe ich als “un-
sportlicher” Mensch, obwohl ich mit
dem Vater Klettern und Tauchen war.
Wenn also diese tägliche Turnstunde so
wie vor 35 Jahren nur dazu führt, den
vermeintlichen Norm-Sportlichen her-
vorzuheben und die anderen Kinder der
TÄGLICHEN Demütigung auszuliefern,
dann bitte nicht.
Ich würde zusätzlich den Turnunter-
richt aus der Notengebung herausneh-
men – gerade hier ist der Faktor Spaß
die wesentliche Motivation. Vor allem
widerspricht Benotung im Sport meiner
Meinung nach jedem Gedanken an In-
klusion – wie soll ein Kind, das schlecht
sieht, mit Bällen genauso umgehen, wie
ein gut-sehendes Kind? Wie soll ein py-
knisches Kind genausoweit springen,
wie ein leptosomes? Wie soll ein zartes
kleines Mäderl mit dem Reuterbrett
gleich gut über den Kasten springen,
wie ein athletisches Kind mit guter Kör-
perspannung?
In kaum einem anderen Fach sind Noten
diskriminierender und demotivierender,
als im Turnunterricht.
W
enn ich meine persönlichen Er-
fahrungen an den Turnunter-
richt hervorkrame, dann glaube
ich nicht, dass damit ein Problem gelöst
wird.
Damals wurden kräftige, muskulöse Kin-
der im Turnunterricht eher zu Witzfiguren
erklärt. Das Normkind war zart.
Der 50 m-Sprint war ein Horror, weil die
kleinen zarten Wesen fast schon im Ziel
waren, während ich gerade erst startete.
200
m hätten mir richtig Spaß gemacht,
wurden aber nicht gelaufen. Im Hoch-
sprung wurde nicht geduldet, dass ich
von der anderen, der für mich “richtigen”
Seite anlaufen wollte, weil das den “Ab-
lauf störte”.
Als Brillenträgerin war ich vor allem bei
Ballspielen angehalten, die Brille ab-
zulegen (damit sie nicht kaputt geht);
trotzdem wurde das Ballspiel mit Noten
gewertet. Ebenso bei der Rhythmischen
Sportgymnastik, bei der man Keulen, klei-
ne Bälle, Bänder oder Ringe werfen und
wieder fangen musste.