Das Kaffeehaus:
LEGENDE UND HISTORIE
Das erste Wiener Kaffeehaus
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8
| DEZEMBER 2012
Fotos: © mythja - Fotolia.com
A
uch wenn die Legende, bzw. der
Piaristenpater Gottfried Uhlich
1783,
also ein Jahrhundert nach
der zweiten Türkenbelagerung Wiens,
berichtete, dass Georg Franz Kolschitz-
ky (eingebürgerte Form des polnischen
Namens Kolczycki oder Kulczycky) das
Kaffeegetränk“ nach Abzug der Türken
im ersten Wiener Kaffeehaus bekannt
gemacht hätte, geht aus Dokumenten
anderes hervor.
Schon 1665 kam Kara Mehmed Pascha,
der Gesandte des türkischen Herrschers
mit Gefolge an den Hof von Kaiser Le-
opold I. und brachte neben wertvollen
Geschenken auch zwei Köche mit, die
nichts anderes
zu tun hatten
als den ganzen
Tag Kaffee zu
kochen, was
immerhin einen
k a i s e r l i c h e n
Beamten zu
einer
vehe-
menten Kla-
ge wegen des
übermäßigen
Brennholzver-
brauches be-
wog.
Nach 9 Mona-
ten mit Gesang
und Klang und
K a f f e e a u s -
schank zog
Kara Mehmed
Pascha wieder
ab, nicht ohne die Wiener Befestigungs-
anlagen eingehend studiert zu haben.
Da sich viele Wiener an das fremdlän-
dische Getränk gewöhnt hatten, konnten
türkische und armenische Händler, wel-
che sich in der Stadt befanden, die Kaf-
feebohnen gut verkaufen.
Dies tat auch der in Istanbul geborene
armenische Kaufmann Johannes Diodato
und seine in Wien angesiedelte Handels-
gesellschaft. Diese Handelsgesellschaft
engagierte Kaiser Leopold I., um die Sil-
berversorgung für die kaiserliche Münze
wieder in Gang zu bringen, die zusam-
menbrach, nachdem er ab 1669 die Juden
aus der Stadt vertrieben hatte.
Der ehrenhafte Auftrag war wohl nicht
der einzige Grund der Entsendung in die
Türkei, sondern auch eine umfangreiche
Spionagetätigkeit, für die Johannes Di-
odato nach mehrmonatigem Aufenthalt
in Istanbul auch entsprechend belohnt
wurde. Er erhielt das Privileg allein in
Wien ein öffentliches Kaffeehaus zu be-
treiben, welches er in seinem Wohnhaus
in der Rotenturmstraße 14 errichtete.
Aber wenige Zeit später erhielten wei-
tere Bewerber das Recht, öffentlich Kaf-
fee auszuschenken, darunter auch Kol-
schitzky. Am „ Stock im Eisenplatz“ in
unmittelbarer Nähe des Stephansdomes
soll er das Kaffeehaus „Zur Blauen Fla-
sche“ betrieben und die Wiener Melange
(
=Milchkaffee) sowie das dem türkischen
Halbmond nachempfundene Wiener Kip-
ferl (Weißgebäck) erfunden haben. Kol-
schitzky starb in dem, ihm zur Verfügung
Prof. Franz W. Strohmer
Journalist, Vize Präsident
des Badener Presseclubs