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Plastizität des Gehirns:

EMPFEHLUNGEN AUS NEUROWISSENSCHAFTLICHER SICHT

Was passiert, wenn wir lernen?

information & forschung

LERNEN BRAUCHT ZEIT

Je vielschichtiger und länger ein Thema

behandelt wird, desto mehr Verbindungen

werden gebildet und desto stabiler wird das

Netz im Gehirn. Wird hingegen Gelerntes

nicht mehr gebraucht, werden synaptische

Verbindungen wieder zurückgebildet. Deshalb

ist es wichtig neue Informationen mehrmals

zu wiederholen, mehrere Sinne anzusprechen,

zu experimentieren oder mit anderen darüber

zu diskutieren, damit neue Verbindungen ver-

stärkt werden und neue Assoziationen herge-

stellt werden können (= vernetztes Denken).

KÖRPERLICHE UND GEISTIGE AKTIVITÄT

FÖRDERN, STRESS MEIDEN

Neben der schon länger bekannten synap-

tischen Plastizität, spielt auch die Bildung

neuer Nervenzellen (= adulte Neurogenese)

beim Lernen eine entscheidende Rolle. Erst

seit einigen Jahren ist bekannt, dass sich im

erwachsenen Gehirn Stammzellen in zwei

Regionen des Gehirns befinden, eine davon

ist der Hippocampus. Diese neugebildeten

Nervenzellen sind besonders wichtig, wenn

wir Details lernen oder ähnliche Situationen

unterscheiden müssen. Interessanterweise

regen sowohl körperliche als auch geistige

Aktivität die Bildung und die Integration neuer

Nervenzellen an. Stress hingegen bewirkt,

dass viele der neugebildeten Nervenzellen

wieder absterben.

Unser Gehirn stattet uns mit einem sehr

großen neuroplastischen Potenzial aus, denn

täglich werden mehrere hundert Nervenzel-

len im Gehirn gebildet und neue synaptische

Verbindungen aufgebaut. Wie wir dieses

Potenzial jedoch nutzen, liegt an uns selbst

und unserer Lebensweise.

U

nser Gehirn besteht aus ca.

100 Milliarden Nervenzellen,

und jede dieser Nervenzellen

ist über ca. 10.000 Synapsen

mit anderen Nervenzellen verbunden –

ein wahnsinnig komplexes Netzwerk,

das durch all unsere Erfahrungen und

Verhaltensweisen modifiziert wird und

wiederum unser Denken, Handeln und

Fühlen steuert.

AUF DIE GEFÜHLE ACHTEN

Eine besondere Bedeutung beim Lernen

kommt dem Hippocampus zu, denn

ohne Hippocampus ist es unmöglich,

neue Informationen einzuspeichern.

Der Hippocampus hat sehr enge Verbin-

dungen zu anderen kortikalen Gehirn-

regionen, wo eine weitere Verarbeitung

des Gelernten stattfindet, und auch zur

Amygdala, die für die Verarbeitung von

Emotionen entscheidend ist. Aus diesem

Grund spielen Emotionen beim Lernen

auch so eine wichtige Rolle. Alles, was

emotional aufgeladen ist (idealerweise

durch positive Emotionen), bleibt besser

in Erinnerung.

INTERESSE UND NEUGIERDE

WECKEN

Wenn das Interesse geweckt wird und

wir mit Begeisterung einer Sache

nachgehen, wird zusätzlich das

neuronale Motivations- und

Belohnungssystem im Mittelhirn

aktiviert; in der Folge werden

neuroplastische Botenstoffe aus-

geschüttet, die wie Dünger auf das

Gehirn wirken. In diesem Zustand

werden neue synaptische Verbin-

dungen zu anderen Nervenzellen auf-

gebaut, und das Gehirn ist besonders

lernfähig.

Dr. Elisabeth Uttenthaler

Neurobiologin und

Psychologin

Mitglied der „Akademie

für Potentialentfaltung“

und der Initiative

„Lernwelt“

www.akademiefuerpoten-

tialentfaltung.org www.lernwelt.at