LERNEN MIT ZUKUNFT Ausgabe September 2014 - page 6

Wahnsinn
Der Fall H.A.Se. - Teil 3:
ICH BIN DOCH NICHT KRANK
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6 | SEPTEMBER 2014
Foto: © vali_111 - Fotolia.com
G
efühle (Befindlichkeiten) die sich
als Reaktion auf äußere oder
innere Reize (Vorstellungen,
Wahrnehmungen im Körper) zeigen,
benötigen zur völligen Ausprägung ein
funktionierendes zentrales (Gehirn,
Rückenmark) somatisches (bewußte
Wahrnehmung von Umweltreizen und
Reizen aus dem Körper, bewußte Steuerung von
Bewegung und Nachrichtenverarbeitung) Nerven-
system, zusätzlich zum vegetativen (unbewußte
Steuerung von Organfunktionen) Nervensystem.
Neuroleptika bewirken eine ruhigstellende,
narkobiotische (Bezeichnung von Psychiatern)
Wirkung, was eigentlich nichts anderes bedeutet
als "Betäubung". Es kann aber auch zu außerge-
wöhnlichen Erregungszuständen kommen.
Die Benennung "Antipsychotikum" ist eigentlich
eine Fehldefinition, da diese Psychopharmaka
nicht direkt auf die Psychose (Wahn) einwirken,
sondern über Gehirnstrukturen in das gesamte
Nervensystem eingreifen und daher alle mög-
lichen negativen körperlichen und psychischen
Folgeerscheinungen auszulösen imstande sind.
Die Nervenreizungen sind Signale mechanischer,
chemischer, elektrischer oder thermischer Art,
welche über Nervenfasern, wie der Strom in
Drähten von Zelle zu Zelle geleitet werden. Die
Übertragung erfolgt durch Botenstoffe (Neuro-
transmitter = hormonähnliche Substanzen), wel-
che von der Ausgangsstelle einer Zelle über den
sogenannten synaptischen Spalt zu einer Andock-
stelle (Rezeptor) der benachbarten Zelle geleitet
werden und so weiter. Wichtige Botenstoffe sind
das Azetylcholin (beruhigend für das Herz), das
Noradrenalin (stimmungshebend, blutdruckstei-
gernd),
Prof. Franz W. Strohmer
med. Journalist
das Adrenalin (Sauerstoffverbrauchregu-
lierung, Blutzuckerspiegelerhöhung) und
das Dopamin (Steuerung der Muskel-
spannung). Neuroleptika werden auch
als Dopaminrezeptorenblocker bezeich-
net. Die entscheidenden Ergebnisse einer
Behandlung mit solchen ist nicht die
Heilung der psychischen Grunderkran-
kung, sondern lediglich die Verhinderung
einer drastischen Auswirkung derselben,
allerdings unter erheblichen anderen ge-
sundheitlichen Störungen, wie Fehlhal-
tungen, Bewegungsanomalie (Starrheit,
Muskelzittern, Sitzunruhe), Grimassieren,
Hypersalivation (gesteigerter Speichel-
fluß), Schmatzen, Zungen- Schlund
und Kehlkopfkrämpfe, Stoffwechsel-
störungen, Sauerstoffunterversorgung
u.s.w. Nach einem lebensbedrohenden
Zungen-Schlundkrampf verweigert unser
Patient A. H.Se. die weitere Einnahme
des zurzeit hochpotentesten Neurolepti-
kums.
FOLGE:
Vorläufige Verwahrung in einem
Beruhigungsraum. (Versperrte Türe,
Fensterschlitz für Tageslicht in unerreich-
barer Höhe, Eisenbett mit Matratze ohne
Bettzeug, WC und Waschmuschel im
Raum, dunkelbraun gestrichene Wände,
Ausgang im Freien täglich 1 Stunde
in Begleitung, Gemeinsamdusche mit
anderen Patienten unter Aufsicht).
"Wie soll ich so gesund werden? Ich bin
ja gar nicht krank", sagt A.H. Se. und
hofft auf die Freilassung.
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