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Auch für Kinder eine Belastung:

HÄTTEN SIE GEWUSST, DASS IN ÖSTERREICH NUR ETWA ZEHN PROZENT DER

NOTWENDIGEN PRIVATKONKURSE ABGEWICKELT WERDEN?

Lebenslänglich

6 | SEPTEMBER 2016

Peter Kopf

Geschäftsführer

ifs Schuldenberatung GmbH

Bregenz

www.ifs.at

V

ielleicht fragen Sie sich, warum

ein Schuldenberater heute über

ein Thema schreibt, das mit

Pädagogik auf den ersten Blick

nicht sehr viel zu tun hat? Vielleicht

darum, weil es doch sehr viel mit Päda-

gogik, vor allem aber mit dem Wohler-

gehen von Kindern im Zusammenhang

steht.

Es geht um Privatkonkurse. Heute

weniger um die Privatkonkurse, die in

den letzten zwanzig Jahren abgewickelt

wurden. Heute geht es um die Privat-

konkurse, die nicht durchgeführt werden

können.

Stellen Sie sich vor, Sie sind allein-

erziehende Mutter mit drei Kindern.

Drei, fünf und neun. Ihr Ex-Mann war

selbstständig, sie haben für ihn gebürgt.

Mittlerweile ist die Firma pleite und Ihr

Mann untergetaucht. Weil er nicht mehr

greifbar ist, wenden sich die Banken an

Sie. Sie wollen die Schulden begleichen,

Ihr Einkommen ist jedoch so gering,

dass Sie damit ohnehin kaum über die

Runden kommen. Für einen Privat-

konkurs müssten Sie mindestens zehn

Prozent zahlen - bei der Schuldenhöhe

von 450.000 Euro ein Ding der Unmög-

lichkeit.

Österreich ist bis auf Tschechien das einzige

Land in Europa, in dem es noch immer eine

derart willkürliche Hürde für den Privatkon-

kurs gibt. Entgegen jeder wirtschaftlicher

Vernunft. Bei uns leben zehntausende Men-

schen, die nicht entschuldet werden können.

Sie stehen unter ständigem Druck, sind

häufig krank, nur begrenzt leistungsfähig.

Nicht nur menschlich, auch volkswirtschaft-

lich ein Wahnsinn.

So geht es auch Ihnen als alleinerziehende

Mutter. Die damals eingegangenen Ver-

pflichtungen bedeuten vermutlich das Urteil

lebenslänglich. Gut möglich, dass Sie Ihre

Schulden nie mehr loswerden.

Und jetzt sind wir beim Wohlergehen der

Kinder angelangt. Schulden wirken sich

nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen

aus. Auch Kinder leiden unter den Schulden

ihrer Eltern. Zum Teil noch stärker als die

Erwachsenen.

Eine rasche Änderung der Bestimmungen

des Privatkonkurses ist deshalb wirtschaft-

lich und gesellschaftspolitisch vernünftig

und rasch umsetzbar. Für den Staat fallen

dabei keine Kosten an. Man muss es nur

tun.

Und neben den Alleinerzieherinnen würden

auch Arbeitslose, ehemals Selbstständige,

Pensionisten und Geringverdienende davon

profitieren. Nicht zuletzt aber der Staat. Wer

seine Schulden losgeworden ist, wird näm-

lich wieder zu einem Aktivposten. Er kann

wieder ins System einzahlen, ist gesünder

und engagiert sich. Weil sein Kopf wieder

frei ist.

Fotos: ©

pixabay.com

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