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Jedes Jahr wieder:

DIESE BEZEICHNUNG BERUHT AUF DEM MITTELHOCHDEUTSCHEN

„ZE DEN WIHEN NAHTEN“ (IN DEN GEWEIHTEN NÄCHTEN)

Weihnachten

20 | DEZEMBER 2017

Prof. Franz W. Strohmer

med. Journalist

O

b nun das Fest der Geburt Jesu

dem an diesem Tag begange-

nen Staatsfest des römischen

Reiches zur Feier des Saatgottes

Saturnus gegenübergestellt wurde, der

nach den Schriften der Dichter das „gol-

dene Zeitalter“ eingeleitet hatte, oder ob

es tatsächlich auch der Geburtstag von

Jesus gewesen ist, wird wohl niemand

mehr beweisen können.

Die nach Saturnus benannten Feier-

lichkeiten, die regelmäßig ab dem 17.

Dezember stattfanden und mehrere Tage

dauerten, waren die lebensfrohesten des

ganzen Jahres.

An den Tagen der Saturnalien wurden

keine Ratssitzungen abgehalten, Strafen

wurden keine vollzogen, es gab keine

Unterschiede zwischen Herren und

Sklaven und letztere durften sogar in

Herrenkleidung auftreten und wurden an

den Tischen der Herrschaft bewirtet und

beschenkt.

Auch die Kinder wurden beschenkt, mit

Bildern, die in der sogenannten Bilder-

gasse in Rom zum Verkauf ausgestellt

worden waren. Der Brauch des Schen-

kens, die Sitte der Bescherung beim

Weihnachtsfest, dürfte mit hoher Wahr-

scheinlichkeit also von den Saturnalien

abgeleitet worden sein.

Auch die Problematik des Schenkens

wurde schon von dem römischen Poeten

Martial beschrieben, nämlich dass jeder

jeden beschenken sollte und jeder von

jedem auch Geschenke erwartete, was

für die weniger gut Situierten natürlich

oft eine Qual bedeutete. Martial konnte sich

da meist mit Versen behelfen. So schrieb er

einmal:

Weil ich beim Saturnalienfest, wo man

schenkt und sich beschenken lässt,

Dir statt des üblichen Küchengeschirrs,

der Wachstafeln und des Schreibpa-

piers, eines Topfes mit Damaszener-

pflaumen und anderen Leckerein für

den Gaumen – als unscheinbare Lie-

besgabe nur meine Gedichte gesendet

habe,vermutest Du am Ende gar,

ich sei ein Geizhals oder Barbar,

doch hass` ich bloß die Hinterlist,

die mit dem Schenken verbunden ist.

Die find´ ich ebenso suspekt,

wie wenn man Fische mit Fliegen fängt.

Ein armer Mensch ist dann korrekt,

wenn er dem reichen Freund nichts

schenkt.

Im Advent stimmen wir uns schon auf das

Kommende, auf das Fest und die Geschenke

ein:

Morgen, Kinder, wird’s was geben,

morgen werden wir uns freu´n,

welch ein Jubel, welch ein Leben

wird in unsrem Hause sein.

So jubelte der deutsche Dichter C. G. Hering

und ein anderer deutscher Dichter, nämlich

Erich Kästner berichtete von der Kehrseite:

Morgen, Kinder, wird´s nichts geben –

nur, wer hat, kriegt noch geschenkt,

Mutter schenkte Euch das Leben,

das genügt, wenn man´s bedenkt.

Fotos: ©

pixabay.com