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information & lernen

Germanistik:

LITERATUR UND SPRACHE ALS HORIZONTERWEITERUNG

Disziplin der Geisteswissenschaften

Tina Cakara

Studentin

Junge Autorin

SUBJEKT, PRÄDIKAT UND OBJEKT

Natürlich lernen wir im Studium auch über

die deutsche Grammatik oder besser ge-

sagt: die deutsche Sprachwissenschaft. Sie

ist eine der vier Teilbereiche der Germani-

stik: Sprachwissenschaft, ältere deutsche

Literatur, neuere deutsche Literatur und

Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. In

der Sprachwissenschaft analysieren und

untersuchen wir die verschiedenen Aspekte

der Sprache: Wie ist sie aufgebaut? Was

unterscheidet einen Dialekt von einem

Regiolekt? Welche Rolle spielt der Verstand

bei der Sprache, also die Psycholinguistik?

Wie werden bestimmte Laute an unter-

schiedlichen Orten ausgesprochen?

Der Deutschunterricht aus der Schule ist

dabei ein wichtiger Grundstein. Im Stu-

dium wird das Ganze aber nicht einfach

wiederholt, sondern vertieft und ausge-

weitet. Man merkt zum Beispiel, dass die

Einteilung in Subjekt, Prädikat und Objekt,

wie sie in der Schule als selbstverständlich

gelernt wurde, gar nicht so leicht festzule-

gen ist.

Der größte Unterschied des Studiums der

Germanistik zum Deutschunterricht in der

Schule ist die Tatsache, dass Kategorien

und Typen, in die man zum Beispiel Roma-

ne, Gedichte, Theaterstücke, aber

auch Worte und Sätze einteilt, nur

konstruiert sind. Das macht die-

se Einteilungen auch verän-

derbar, denn irgendetwas

passt nie genau ins

Schema. Dadurch lernt

man vorsichtiger bei

vorschnellen Urteilen zu

sein und sieht lieber noch

einmal genauer hin.

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N

ur Bücher lesen? Viele glauben,

dass es bei einem Germanistik-

studium hauptsächlich darum

geht Bücher zu lesen und die

deutsche Grammatik zu lernen. Dabei

hat man doch alles Wichtige schon in

der Schule gelernt, oder? Es stimmt, dass

wir im Studium viel lesen, aber nicht

nur Romane, wie die meisten denken

würden. Wir lesen vor allem theoretische

Texte, wissenschaftliche Texte und Se-

kundärliteratur. Wenn wir einmal einen

Roman lesen, dann tun wir das bezogen

auf bestimmte Aspekte oder Theorien:

Wir lesen zum Beispiel das Nibelungen-

lied und untersuchen den Text auf seine

Geschlechterrollen und ihre Verteilung.

Wie viel Platz wird weiblichen Figuren

gegeben? Welche Begehrensstrukturen

lassen sich finden?

WOZU DAS GANZE LESEN?

Im Studium der Germanistik stößt man

immer wieder auf andere Wissenschafts-

bereiche: Geschichte, Philosophie,

Psychologie, Kulturtheorie usw. Das

Spannende an den Geisteswissenschaf-

ten ist, dass sie alle wie ein großes Netz

eng miteinander verwoben sind. Man

bekommt dadurch einen weiten Über-

blick über viele Themenbereiche. Jeder

Text, den wir lesen, ist Zeugnis einer

bestimmten Zeit und eines bestimmten

Zeitgeistes. Einen Text aus dem Mittel-

alter zu lesen, bedeutet auch zu verste-

hen, wie Menschen zu der Zeit gelebt,

gedacht und geschrieben haben. Bücher

aus dem Barock unterscheiden sich stark

von jenen aus der Zwischenkriegszeit.

Die Lektüre verschiedener Texte aus

unterschiedlichen Jahrhunderten, Orten

und Lebensumständen der Menschen

erweitert dabei den eigenen Horizont

und schärft den Blick auf die eigene

Gegenwart und Lebenssituation.

26 | MÄRZ 2017

Foto: ©

pixabay.com