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information & gesellschaft

Dipl.-Ing. Alexander Ristic

Internationaler

Regierungsberater

WARUM ABSTIMMEN NICHT DEMOKRATISCH IST

Sind Wahlen demokratisch?

Auslosen statt Abstimmen:

28 | MÄRZ 2017

Fotos:©

pixabay.com

W

ann sind Wahlen demokra-

tisch? Auch in Diktaturen und

totalitären Systemen wer-

den Wahlen durchgeführt.

Allerdings entsprechen sie nicht den

Kriterien, die eine demokratische Wahl

erfüllen muss. Welche Bedingungen

muss eine Wahl erfüllen, damit sie "de-

mokratisch" genannt werden kann?

Zunächst muss es sich um eine wirkliche

"Wahl" handeln, das heißt, die WählerIn

muss zwischen Alternativen auswählen

können. Zusätzlich zu diesem inhalt-

lichen Kriterium müssen fol-

gende formale Bedingungen

erfüllt sein: Wahlen müs-

sen allgemein, gleich,

geheim und frei sein.

Die Weltbevölkerung,

welche in einer Demo-

kratie lebt, war noch

nie größer als heute. Am

Ende des Zweiten Welt-

krieges gab es auf der Welt

nur zwölf vollwertige demokra-

tische Staaten. Heute sind von insgesamt

195 Staaten 177 Wahldemokratien.

Und trotzdem lässt die Begeisterung

nach. Es gehen immer weniger Men-

schen wählen und auch die Mitglieds-

zahlen der politischen Parteien sinken

dramatisch. In den jungen Demokratien

Osteuropas hat sich vielfach Ernüchte-

rung breitgemacht. Auf den Arabischen

Frühling folgte kein Demokratischer

Sommer – auch in jenen Ländern nicht,

in denen tatsächlich plötzlich gewählt

wurde.

Was wäre die Alternative? Im antiken

Athen des fünften Jahrhunderts vor

unserer Zeit, wurden die wichtigsten

Verwaltungsorgane per Losentscheid

besetzt. Das Ziel war es den persön-

lichen Einfluss zu neutralisieren. Außer-

dem war die Amtszeit begrenzt und man

konnte nicht wiedergewählt werden.

Man wollte eine möglichst große Gruppe

teilhaben lassen und so Gleichheit

realisieren.

Bei Aristoteles heißt es: „Es

gilt für demokratisch, die

Staatsämter durch Los, und

oligarchisch, sie durch die

Wahl zu besetzen.“ Cha-

rakteristisch für die da-

malige Zeit war es, dass

es im Grunde keinen

Unterschied zwischen Po-

litikern und Bürgern gab,

zwischen Regierenden und

Regierten, zwischen Machtha-

bern und Untertanen.

Heute sind wir erstaunt darüber, dass

die athenische Demokratie in ihrer

Blütezeit auf dem Losverfahren beruhte,

aber für die Zeitgenossen war es eine

Selbstverständlichkeit.

Heute geht es noch immer um einen

Kampf für politische Emanzipation und

für demokratische Mitsprache. Wir müs-

sen die Demokratie dekolonisieren und

auch demokratisieren.

Beliebtheit sollte

kein Maßstab für die

Wahl von Politikern sein.

Wenn es auf die Popu-

larität ankäme, säßen

Donald Duck und die

Muppets längst im Senat.

Orson Welles